Ganz im Element

19 / 05 / 2020
„Immer da, wo wir sind, sind sie nie.“ Außer Element of Crime gehen auf Tour. Dann kommen sie gerne auch mal nach Graz. Und hier hat Martin auch Sänger Sven Regener getroffen.
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Seit 35 Jahren machen Element of Crime gemeinsam Musik. Und das fast in Originalbesetzung. Genauso konstant ist die Gruppe, wenn’s um ihre Musik geht. Eine Mischung aus Rockmusik und Chanson, mal romantisch und melancholisch, dann wieder amüsant. Eines sind die Songtexte immer: Clever konstruierte Satzbausteine, die man als Hörer erst einmal auseinandernehmen muss, um ihren Kern freizulegen. Genau das machen Martin Auer und seine drei Söhne – zum Beispiel wenn sie gerade am Weg in den Urlaub sind.

MARTIN AUER - Kurz bevor ihr im Jahr 1993 euer Album „Weißes Papier“ veröffentlicht habt, bin ich auf Element of Crime gestoßen und seither großer Fan. Deshalb freue ich mich auch so, dass ich jetzt mit unseren drei Jungs eure Lieder studieren darf. Was könnte das bedeuten? Was meinen sie da? Was ich mich dabei selbst einmal gefragt habe: Hast du den Regisseur Lars von Trier, von dessen Film „Element of Crime“ euer Bandname kommt, eigentlich jemals kennengelernt?

SVEN REGENER - Nein, nein. Unser Name ist zwar vom Film inspiriert, aber wir haben den Film gar nie gesehen. Wir fanden den Namen einfach sehr cool. Wir fanden, dass er etwas Düsteres hat und ein bisschen zu dem passte, was wir als Band so machten. Und wir brauchten ganz dringend einen Namen für die Band, weil wir schon einen Gig gebucht hatten. Es war am Anfang auch sehr schwer zu erklären, warum die Band so heißt. Ich weiß nicht, ob ich heute noch einmal eine Band nach einem Film benennen würde … Aber wir haben’s halt gemacht. Und dann muss man auch dabei bleiben, finde ich.

MARTIN AUER - Bei der Sprache eurer Songtexte war das etwas anders. Zu Beginn eurer Karriere hast du auf Englisch gesungen. Habt ihr aus dieser Zeit noch nicht-deutsches Publikum?

SVEN REGENER - Es gibt in Russland wohl viele Fans und früher hatten wir sehr viele Fans in Israel. Beim letzten Konzert in Linz waren zwei Leute aus Israel dabei, die uns damals, als wir 1991 dort spielten, verpasst hatten. Und die sich jetzt einen Flug nach Wien geleistet haben, um uns doch noch zu sehen. Ansonsten sind Element of Crime auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Österreich, die deutschsprachige Schweiz und Deutschland. Das sind die drei Länder, die wir bespielen. In der internationalen Popmusik ist für die Deutschen nur ein kleiner Winkel reserviert. Der Rammstein-Einstürzende-Neubauten-Kraftwerk-Winkel. Also so Kunst-Mensch-Maschine-Sachen, eher düster, mit wenig Text oder sehr stark geräuschbetont.

MARTIN AUER - Das ist interessant. Schließlich hören wir auch italienische Musik, die uns gefällt und bei der wir akzeptieren, dass wir nicht alles verstehen.

SVEN REGENER - Deutschsprachige Musik hat einfach nicht die Fans. Die Deutschen und auch die Österreicher sind große Italienfreunde. Aber welcher Italiener macht denn schon Urlaub in Deutschland? Mal ehrlich. Die Deutschen machen Urlaub in Italien und deshalb sagen sie dann: Ich will Angelo Branduardi hören, das erinnert mich an meinen Urlaub. Du findest wenig Italiener an den Stränden der Nordsee. Was sicher ein Fehler ist, es ist nämlich schön da oben.

MARTIN AUER - Aber nehmen wir zum Beispiel „Mittelpunkt der Welt“. Diese Melodie … Da ist der Text eine Zugabe, aber allein die Musik müsste doch schon reichen.

SVEN REGENER - Es gibt dafür einfach keine Szene. Das ist aber auch in Ordnung, es muss ja nicht alles überall funktionieren. Die Verhältnisse sind ja auch unterschiedlich in den Ländern. In Spanien hast du ein ganz anderes Leben als in Deutschland. Deshalb finde ich das okay. Kunst hat immer einen konkreten Ort und eine konkrete Zeit. Und es ist eben nicht egal, wo sie stattfindet.

MARTIN AUER - Gilt das auch für eure Konzerte? Also hat das Publikum einen Einfluss darauf, wie das Konzert verlaufen wird? Ich werde häufig gebeten, Vorträge zu halten, und für mich ist ganz wesentlich, wie das Publikum auf das, was ich erzähle, reagiert.

SVEN REGENER - Am Anfang war das vielleicht so, weil die Leute auf unsere Konzerte kamen, ohne zu wissen, was wir machen. Mit zunehmendem Bekanntheitsgrad ist es natürlich ein bisschen klarer, was sie erwartet und relativ überraschungsarm. Da wäre es schon komisch, wenn einen plötzlich alle ausbuhen oder keiner klatscht. Das hat es am Anfang übrigens durchaus mal gegeben, weil wir auch immer eine exzentrische Band waren. Aber ich kann aus Erfahrung von damals sagen, dass das auf das, was wir gemacht haben, keinen Einfluss hatte. Das ist ja auch klar. Man kann einen Künstler sonst gar nicht ernst nehmen …

MARTIN AUER - Ich glaub’, wenn man sich dem Publikum anpasst, geht ja auch – um das Wort zu strapazieren – Authentizität verloren.

SVEN REGENER - Die Leute wundern sich oft, wenn sie einem sagen, wie sie etwas finden oder – was ja auch ein unfreundlicher Akt einem Künstler gegenüber ist – welches Lied von der neuen Platte sie nicht mögen, dass einen das völlig unbeeindruckt lässt. Was denken sie denn? Dass man das Lied dann plötzlich streicht? Man selber hat’s ja gemacht, weil man es gut findet und bietet es nur an – und es ist genau das: ein Angebot. Letztendlich geben wir kein Wunschkonzert, sondern das Konzert, das wir zu geben haben. Man freut sich, wenn Leute kommen, die damit auch etwas anfangen können. Das ist mittlerweile kein Problem mehr. Also, ich hätte keine Angst à la „Oh, mal sehen, wie das wohl in Graz läuft“.

MARTIN AUER - Als Fan hat man ja immer ein Lieblingslied. Gibt
es eigentlich auch ein Lied, von dem du sagen würdest, dem bist du besonders nahe?

SVEN REGENER - Nein, eigentlich nicht. Aber es gibt manchmal Lieder, die man an einem Abend besonders gerne spielt. Oder umgekehrt: die man nicht so gerne spielt. Dann spielt man sie aber auch nicht. Wenn man – so wie wir – etwa 160 Lieder geschrieben und veröffentlicht hat, kann man ganz gut eins aussuchen. Das Problem ist, wenn man mit einer neuen Platte auf Tour ist und sich dabei herausstellt, dass ein oder zwei Songs davon doch nicht ganz so toll sind, wie man dachte. Eher so Stinker. Schwer zu spielen, man hat keine Lust drauf … Und dann gibt’s natürlich so Lieder wie „Weißes Papier“, das wollen die Leute immer hören. Wenn wir das nicht spielen, werden die Leute schon, naja, nicht sauer, aber sie sind schon traurig. Das wär schade, wenn man dann keine Lust hätte, es zu spielen. Aber das Problem haben wir nicht. Diese Lieder, die All-Time-Hits, spielen wir schon sehr gerne.

MARTIN AUER - Delmenhorst, ein echter Evergreen.

SVEN REGENER - Delmenhorst, ja. Das war ja unser größter Hit. Und den kann man auch wirklich gut spielen.

MARTIN AUER - Ihr macht schon sehr lange gemeinsam Musik. Es ist selten, dass es eine Band so lange gibt, dass sie so lange funktioniert und dabei auch noch erfolgreich ist. Warum klappt das bei euch?

SVEN REGENER - Zunächst ist ja nichts falsch dran, wenn sich eine Band nach zehn Jahren oder nach einer Platte auflöst und sagt, das war’s jetzt. Für mich ist es eigentlich nur vertretbar, das so lange zu machen, weil es musikalisch noch was bringt. Natürlich kann man auch schöne Konzerte mit alten Songs geben. Machen wir uns nichts vor: Die Berliner Philharmoniker spielen nur Sachen, die schon, was weiß ich, vor hundert Jahren geschrieben worden sind und die sind ja auch nicht doof. Aber diese Art von Band – wie Element of Crime – ist keine Arbeitsbeziehung. Für mich ging es immer darum, gemeinsam neue Lieder zu schreiben. Und was auch dazugehört: dass es irgendwann zu einem gewissen Erfolg kommt. Dann verdient man nicht nur sehr gut und kann davon leben, auch die äußeren Bedingungen sind angenehmer. Was mit zunehmendem Alter eine Rolle spielt …

MARTIN AUER - Auch wenn ihr relativ früh Erfolg hattet: Habt ihr jemals darüber nachgedacht, wie das einmal enden soll?

SVEN REGENER - Also das Einzige, was ich wirklich schlimm finde: dieses Unsere-letzte-Tournee-Ding. Das ist nicht schön. Das ist einfach nur peinlich. Die Leute so in die moralische Beinschere zu nehmen und sie müssen sich jetzt von dir verabschieden? Nicht gut. Wenn man keinen Bock mehr hat, kann man doch einfach aufhören. Dann spielen wir halt nicht mehr zusammen. Muss ja keiner wissen. Wenn wer fragt, wann geht ihr wieder mal auf Tournee? Ja, weiß ich nicht. Mit Sicherheit endet eine Band unserer Art, wenn Richard, Jakob oder ich ausfallen würden. Ich fände es schwer, dann als Element of Crime weiterzumachen. Sich an einen neuen Schlagzeuger zu gewöhnen, das kann ich, glaub ich, nicht mehr. Also nicht bei Element of Crime. Irgendwann wird das sonst wie bei The Cure. Alle bis auf den Sänger ausgetauscht. Den Gedanken finde ich traurig.

MARTIN AUER - Auch für viele Fans wäre das sicher nicht mehr das Gleiche … Hoffen wir, dass ihr noch lange gemeinsam spielen könnt. Und vielleicht auch bald wieder in Graz. Danke für das Gespräch!
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